Joe Nimble
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Featured in der Runner'sWorld: Die Homestory!

Um sich anzusehen, wie Laufschuhe hergestellt werden, muss man normalerweise absoluter Insider sein. Wir hatten Besuch von Urs Weber - Redakteur der Runner'sWorld. Seine Eindrücke von Entwicklung und Produktion bei Joe Nimble schildert er umfänglich im auflagenstärksten deutschen Laufmagazin. Bei uns kannst Du den Artikel jetzt schon digital lesen.
Blicke jetzt hinter die Kulissen, wie sich beim „Rapid Prototyping“ traditionelles deutsches Schuhmacherhandwerk und digitaler Workflow perfekt ergänzen.

Jetzt die ganze Homestory hier lesen!

 

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WANDERER ZWISCHEN ZWEI WELTEN

In der Bär-Manufaktur in Bietigheim Bissingen wird noch die ehrwürdige schwäbische Schuhmachertradition gepflegt. Wie sich das altbewährte Handwerk mit den Möglichkeiten hochmoderner Technologie auf ein neues Level heben lässt, wird an der Marke Joe Nimble deutlich, die Sebastian Bär, einer der zwei Söhne des Firmengründers, gerade aufbaut. 

Als ich das erste Mal die Büros von Joe Nimble betrete, komme ich mir vor wie in einem hippen Fitnessstudio. Neben der Eingangstür hängt eine Sprossenwand, eine etwa fünf Meter lange Slackline ist diagonal durch den Raum gespannt, dahinter steht ein Profi-Laufband. Auf dem Boden liegen eine Hantelstange, eine Fußmessplatte sowie etliche Fitness-Tools, weiter hinten im Raum steht ein Tischkicker. „Wir sind vor zwei Jahren eingezogen“, erzählt Sebastian Bär, der 47-jährige Gründer und, nun ja, Chef der Firma. Das Wort wird hier nicht so gern gehört, man legt Wert auf den Teamgeist. „Aber Sebastian ist schon der, der alles weiß, und natürlich kennt er die Produkte wie kein anderer“, erklärt Amelie, die seit einem Jahr zum Team gehört. „Ohne uns wäre er aber in vielen Dingen aufgeschmissen.“ Kurz zuvor hat Amelie ein Fotoshooting der neuen Kinderschuhkollektion auf den Weg gebracht, sich um die Abzieh-Tattoos gekümmert, die in die Kartons gelegt werden, und mit einem Dienstleister die Optimierung des Online-Bestellsystems besprochen.

Die neuen Büros von Joe Nimble in einer Fabriketage bieten Platz zum Arbeiten, für Meetings – und fürs Training. 

Es ist gerade viel los bei Joe Nimble, man merkt, dass die Marke im Aufbruch ist. Themen werden angeschoben, Konzepte angedacht, Produktionsorte gesucht.  Joe Nimble ist die jüngste Tochterfirma der Bär-Manufaktur, die Sebastians Vater Christian Bär 1982 gegründet hat. „Er war ein totaler Quereinsteiger. Heute würde man das als Start-up bezeichnen“, erzählt Sebastian. „Mein Vater war viel unterwegs und ärgerte sich, dass er keine Schuhe fand, die ihn nicht an den Zehen drückten.“ Also ließ er sich aus Holz einen eigenen Leisten fertigen. Dieser diente dann als Grundlage für die ersten Prototypen der heute sehr erfolgreich im Markt vertriebenen Bär-Modelle: auf Zehenfreiheit ausgelegte Alltagsschuhe, oft mit Lederschaft, die sich an eine eher, nun ja, konservative Klientel richten. „Ich wusste, dass wir mit unserem Know-how auch Laufschuhe entwickeln können“, sagt Sebastian. „Und ich hatte Ideen, ich wollte etwas machen, merkte aber, dass das in den Strukturen der bestehenden Firma nicht ging.“ Also gründete er 2011 Joe Nimble. In moderner Wirtschaftssprache würde man vielleicht von einem disruptiven Ansatz sprechen.

Links: Sebastian Bär in den Joe-Nimble-Büros bei der Laufstilanalyse in Ludwigsburg. Rechts: Sebastian bespricht Farbkombinationen für die nächste Kollektion. Das Design ist essenziell für das Selbstverständnis der Marke.

Aber man muss die Vorgeschichte kennen:

Sebastian erzählt mit leuchtenden Augen, wie ihn sein Vater schon als Teenie mit auf Messen nahm und er von der Pike auf in die Branche hineinwuchs. Die Bär-Manufaktur war eine Erfolgsgeschichte. In den 1980er-Jahren, als immer mehr klassische Lederschuhhersteller in Deutschland pleitegingen, weil die Konkurrenz aus Italien und Fernost zu groß wurde, eroberten die Bär-Modelle eine Marktnische. Der breiter geschnittene Leisten, die natürliche Zehenfreiheit und der Null-Absatz (damals sprach man noch nicht von Sprengung) waren Ansätze, die es im Schuhmarkt in dieser Kombination noch nicht gab. Der Erfolg ließ dann auch nicht lange auf sich warten. Der Bär brummte, im Inwie im Ausland. Bereits 1995 wurden eigene Marken-Stores eröffnet, auch in Ländern wie Japan kamen die Schuhe made in Germany gut an. Christian Bär rettete einen kurz vor der Pleite stehenden Produktionsstandort auf der Schwäbischen Alb und damit auch die Arbeitsplätze und das handwerkliche Know-how sowie die Erfahrung der angestellten Arbeiter. Sebastian Bär kam Mitte der 1990er Jahre in die Manufaktur. „Mein Vater hat nie Druck auf mich ausgeübt. Damals brauchten sie Unterstützung im Vertrieb, später auch im Marketing.“ Sebastian hatte Internationales Marketing studiert, zuvor war er zwei Jahre auf der Highschool in Orlando in Florida und dort ein sehr erfolgreicher Cross-Country-Läufer gewesen. „Zunächst hat man mich belächelt, weil ich in Bär-Schuhen aus weißem Leder antrat, die mein Vater mir angefertigt hatte. Aber als ich dann fast jedes Rennen gewann, wollten auf einmal alle wissen, was denn das für komische Schuhe seien.“ Sebastian kriegt glänzende Augen, wenn er von seiner Zeit in Florida erzählt, auch wenn sich Bär in den USA nicht durchsetzen konnte: „Die wollten alle in Nikes laufen.“ In Bietigheim-Bissingen hilft Sebastian dann zunächst, den Bär-Vertrieb auszubauen, das Wissen aus seinem Studium kommt ihm dabei zugute.

»WENN WIR IN DER EIGENEN WERKSTATT AM PRODUKT ARBEITEN KÖNNEN, SPART UNS DAS ZEIT UND SICHERT DIE QUALITÄT«

Er sammelt Erfahrungen und reist oft ins Ausland, schließlich auch nach Japan. „Eigentlich sollten es zwei Monate sein, in denen ich unsere Tochterfirmen dort im Vertriebsaufbau unterstützen sollte.“ Aber es kam anders. Kurzfristig musste ein neuer Geschäftspartner gefunden werden. „So wurden aus zwei Monaten drei Jahre, in den ich den Vertrieb da aufgebaut habe.“ Sebastian lernte dort auch die Sprache – und seine Frau kennen, eine Chinesin, die er auf Hawaii heiratete. Heute leben sie mit ihren zwei Kindern in Ludwigsburg. „Die Erfahrung im Umgang mit japanischen Geschäftspartnern möchte ich heute nicht mehr missen“, sagt Sebastian. Derzeit gibt es Verhandlungen mit einem japanischen Vertrieb, der Joe-Nimble-Schuhe in Japan verkaufen will. „Die Japaner haben einen Sinn für unsere FunctionalFootwear-Philosophie“, ist sich Sebastian Bär sicher. Heute ist er gemeinsam mit seinem Bruder Christof, der sich um die geschäftlichen Geschicke von BÄR-Produkten kümmert, Geschäftsführer der BÄR-Manufaktur. Sebastian kann sich nun auf höchster Ebene seinem Ziel widmen, „unseren Fokus auf Functional Footwear auch für Läufer zugänglich zu machen“. Joe Nimble ist sein Versuch, die technische Kompetenz der BÄR-Manufaktur mit den neuesten Innovationen aus der Laufschuhtechnologie zu vereinen. Aber es war wie so oft bei erfolgreichen Unternehmen: Die neuen Ideen weckten erst mal Argwohn. „Ich bin das auch ungeschickt angegangen“, sagt Sebastian selbstkritisch. Er war zu ungeduldig, es erfordert Geduld, einen schweren Frachter auf neuen Kurs zu bringen. Dass es Sebastian schließlich gelang, seine Vision umzusetzen, lag auch an seiner Kompetenz, das Projekt aus vielen Perspektiven zu betrachten. Als ambitionierter Läufer kannte er die Anforderungen an gute Laufschuhe, betrachtete sie aber auch aus der Perspektive des Manufakturmitarbeiters. Er kennt sich mit dem gesamten Herstellungsprozess aus, beherrscht Materialauswahl und handwerkliche Anforderungen und ist ein Marketingspezialist, der den Gesamtmarkt beobachtet und Zukunftsmärkte analysiert. Und da sah er Möglichkeiten, wollte größere Ziele setzen. 

In der Werkstatt der Bär-Manufaktur wird noch viel von Hand gearbeitet. Rafael Mora Garcia (rechts) ist seit 45 Jahren im Schuhmacherhandwerk tätig.

Ein Schlüsselerlebnis hatte er als CrewKapitän eines Begleitteams bei einem der weltweit härtesten Ultralauf-Events, dem Badwater-Ultra. 217 Kilometer müssen zurückgelegt, 4000 Höhenmeter erklommen werden – nichts für Anfänger. Hinzu kommen die klimatischen Bedingungen: Badwater liegt im kalifornischen Death Valley, einem der trockensten Orte der Welt. Die Lufttemperatur kann dort auf bis zu 50 Grad steigen, der Asphalt bringt es auf 80 Grad oder mehr. Jeder Läufer muss dort mit einem Begleitteam starten. 2004 lief der deutsche Ultra-Spezialist Robert Wimmer bei diesem Rennen mit – in einem BÄR-Laufschuh. Der erste deutsche Finisher überhaupt belegte Platz neun – und war „der erste Läufer in der Geschichte des Laufs, der nur ein Schuhmodell genutzt hat“, so der Race-Organisator Chris Kostman. Sebastian Bär hat als Crew-Captain seinen Athleten unterstützt und beim Begleitwagen einen defekten Reifen gewechselt, aber um die BÄR-Schuhe musste er sich keine Gedanken machen, die hielten bis zum Ende durch. 

Nach dieser und anderen Erfahrungen bei Marathons und Ultraläufen kehrte Sebastian inspiriert zurück ins beschauliche Bietigheim-Bissingen. 2011 gründete er Joe Nimble, aber es sollte noch ein paar Jahre dauern bis zum Durchbruch. Den Handlungsspielraum in der Manufaktur empfand er als zu eng: „Ich wusste, wenn ich wirklich etwas Großes in Gang setzen will, muss ich aus den alten Strukturen heraus und etwas Neues probieren.“ 2018 kam es deshalb zu einem Neuanfang: In Abstimmung mit der Bär Geschäftsleitung suchte Sebastian einen neuen Standort, an dem er sich ganz der Entwicklung der Joe-Nimble-Laufschuhe widmen konnte: „Im April zog ich in einen Co-Working-Space in Ludwigsburg.“ Im Herbst kam dann der erste Laufschuh auf den Markt, der Nimble Toes Jog, der sich auf Anhieb gut verkaufte. „Alle fragten mich: ,Wie hast das hingekriegt?‘“, erinnert sich Sebastian.

Ein Schuster bleibt bei seinem Leisten: Schuhmachermeister Rafael Mora Garcia arbeitet seit mehr als 20 Jahren bei Bär.

Im Turbomodus ging es weiter. Im Sommer 2019 folgte der Nimble Toes Jog 2.0, und im Frühjahr 2020 startete man eine Crowdfunding Kampagne für das neue Modell Nimble Toes Addict. Auch sie hatte Erfolg, und bald schon konnte die Produktion des Schuhs im Fernen Osten anlaufen. Was sich nach einem unternehmerischen Durchmarsch anhört, war das Ergebnis einer langen Entwicklungsgeschichte. In ihrem Verlauf hatte sich Sebastian Bär nicht nur intensiv mit der Schuhherstellung, sondern auch mit der Biomechanik des Laufens auseinanderge setzt. Aus fachlichem Interesse – und aus eigener, schmerzlicher Erfahrung. 2015 wähnte er sich aufgrund einer Verletzung sogar schon am Ende seiner Läuferkarriere. „Ich wusste keinen Rat mehr. Mehrere Ärzte rieten mir, die Sportart zu wechseln.“ Wie sich schließlich herausstellte, handelte es sich bei seiner Verletzung um einen Überlastungsbruch im Sesamköpfchen – eine typische Überlastungsreaktion auf das Tragen von Barfuß-Laufschuhen. Verzweifelt suchte Sebastian Rat – und stieß nach einigen Recherchen auf den in der internationalen Laufszene ebenso erfolgreichen wie berüchtigten englischen Lauftrainer Lee Saxby, einen der wichtigsten Protagonisten der Barfuß-Revolution. (Anmerkung des Redakteurs: Bei meiner ersten Begegnung mit Lee bot dieser mir keinen Sitzplatz an, sondern forderte mich auf, es mir in der Sitzhocke bequem zu machen, natürlich mit Bodenkontakt der ganzen Fußsohle.) Aufgrund seiner Expertise war Saxby bereits von unterschiedlichen Laufschuhherstellern engagiert worden und hatte unter anderem mit Christopher McDougall (dem Autor von „Born to Run“) und dem „Barfuß-Professor“ Daniel Lieberman von der Universität Harvard zusammengearbeitet. Sebastian rief bei Saxby an – und reiste kurz darauf zu einem von dessen Laufworkshops in Prag. Saxbys Diagnose fiel nüchtern aus: „Sebastian war der Verlockung des Natural Running erlegen, das damals groß im Trend war, und wie 80 Prozent der Läufer, die zu mir kommen, hat er es damit übertrieben und sich verletzt.“ An dieser Stelle erzählt Saxby immer gern von den Buschmännern in Namibia, mit denen er auf die Jagd gegangen sei. „Die laufen barfuß, wiegen meist aber auch nur zwischen 50 und 60 Kilo“, was eine ganz andere Biomechanik zur Folge hat.

ÜBER DESIGN UND AUFBAU DES SCHUHS WIRD WEITER DISKUTIERT. ABER EINS STEHT FEST: »DIE GROSSE ZEHENBOX IST NICHT VERHANDELBAR«

Traditionelles Werkzeug trifft brandneues Produkt: Diese speziell zum Nähen von Schuhschäften entwickelt Nähmaschine ist über hundert Jahre alt. Sie ist eins der letzten noch laufenden Exemplare ihrer Gattung, Ersatzteile sind nicht mehr aufzutreiben.

Saxby, der selbst eine große Rolle beim weltweiten Natural-Running-Boom gespielt hat, gibt sich durchaus selbstkritisch: „Wir müssen die ursprünglichen Ideen überdenken“, sagt er, „aber dabei ist die große Zehenbox nicht verhandelbar.“

Als eine der häufigsten Ursachen für Laufverletzungen betrachtet Saxby die vorn spitz zulaufenden Schuhformen. Ihm geht es immer um einen ganzheitlichen Gesundheitsansatz: Wenn er über Füße nachdenkt, schaut er dabei auf den gesamten Körper. Saxby hat ein Auge für körperliche Dysbalancen – und für falsches Schuhwerk. Auch deshalb stehen in den Joe-Nimble-Büros heute so viele Laufanalyse-Tools. Sebastian Bär und Lee Saxby waren schnell auf einer Wellenlänge. Sebastian konnte nach einem halben Jahr endlich wieder in seinen geliebten Schuhen laufen. Und er wusste jetzt, was er falsch gemacht hatte. Genauer gesagt: was falsch an seinen Schuhen gewesen war. Das Ergebnis von Saxbys Impulsen war der Nimble Toes Addict, womit wir wieder im Co-Working Space in Ludwigsburg und bei der Crowdfunding-Kampagne angelangt wären. Durch Lee Saxby hatte Sebastian gelernt, „dass zwei Elemente an den zuvor entwickelten Schuhen absolut richtig waren: die große Zehenbox und die Null-Sprengung.

 Aber zwei Details fehlten“, so der Konstrukteur. Die fehlenden Elemente erhielt der Addict in Form einer dämpfenden Mittelund einer komfortablen Einlegesohle. Aus dem Co-Working-Space in Ludwigsburg zog Sebastian nach ein paar Monaten wieder aus und wechselte in die alte Industrieetage nahe dem Barock-Schlossgarten in Ludwigsburg. Hier gibt es Platz für Ideen, Raum für Gestaltung – und für mehr Mitarbeiter. „Ich hatte von meinem Vater gelernt, neue Projekte mit Augenmaß anzugehen“, erklärt Sebastian seine Strategie. „Aber ich wusste durch meine läuferische Erfahrung, dass man sich auch mal aus dem Fenster lehnen muss.“ Das ist eins der Dinge, die er beim Badwater-Ultra gelernt hat. „Bei einem Ultramarathon weißt du halt nie, wie es läuft. Es passieren unvorhergesehene Dinge. Und du musst rasche Entscheidungen treffen. Das ist für mich eine prägende Erfahrung gewesen.“

Entscheidungen treffen unter Extrembedingungen

Niemals hätte Sebastian sich vorstellen können, dass er sich dieser Herausforderung auch noch einmal unter ganz anderen Umständen stellen müsste. Denn unmittelbar auf die erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne für den Addict Anfang 2020 folgte die Corona-Krise. Sebastian sagt unverblümt: „Da sind wir erst mal voll auf die Schnauze gefallen.“ In der Sprache der Langstreckenläufer würde man wohl von einem Tief sprechen, von einer Mauer – und dann führt die Strecke auch noch steil bergauf, und es fängt an zu regnen. „Als die Fabriken in Fernost geschlossen wurden, war das ein herber Rückschlag.“ Dazu kam: Die bereits produzierten Schuhe lagerten in den Werkshallen in Fernost, „aber plötzlich haben sich die Frachtkosten verzehnfacht.“ Ohne seine Erfahrungen als Langstreckenläufer, wer weiß, hätte die Geschichte von Sebastian Bär und Joe Nimble an diesem Punkt vielleicht eine andere Wendung nehmen können. Bär und sein kleines Team suchten nach Alternativen. Man holte die Produkte schließlich per Bahn und startete sogar eine zweite Crowdfunding-Aktion für die Trailversion des Addict, bei der man stark auf Social-Media-Feedback setzte. Die Strategie hatte Erfolg, sie brachte die dreifache Investitionssumme im Vergleich zur ersten Aktion. „Und das trotz aller Schwierigkeiten! Das hat mich bestärkt, weiterzumachen und nicht ans Aufgeben zu denken“, erzählt Sebastian. Die Nachfrage überstieg dann seine kühnsten Erwartungen. Die ersten Muster des Trail-Addict kamen schon im Sommer 2020 in der neuen Firmenzentrale an. Gleichzeitig legte die Entwicklungsdynamik im Unternehmen zu – mit einer Geschwindigkeit, die einen fast schwindelig werden lässt. Parallel liefen mehrere Projekte an: Eine App wurde entwickelt, mit deren Hilfe sich die Fußlänge und die Zehenstellung ermitteln lassen und die dann im nächsten Schritt die benötigte Schuhgröße errechnet. Der Service kam gerade recht in einer Zeit, in der sich fast alle Verkäufe online abspielten. Und dann realisierte der Vater von Zwillingen auch noch eine neue Produktlinie von Kinderschuhen – und zwar made in Germany. Es ist das zweite Projekt, das Sebastian mit dem Footwear Innovation Lab in Pirmasens realisiert, einem hochinnovativen Design- und Entwicklungsstudio in der Pfalz (siehe Kasten „So wird ein Schuh draus“). Das Team aus 17 Angestellten um den Geschäftsführer Jochen Schmidt kann zwar nicht mit der Manpower internationaler Schuhhersteller mithalten – aber schließlich wolle man auch gar keine eigenen Schuhe herstellen, wie Schmidt betont. Stattdessen hat man sich darauf spezialisiert, in kürzester Zeit die Ideen anderer Wirklichkeit werden zu lassen. Innerhalb von drei Monaten hatte Schmidt gemeinsam mit Sebastian Bär – da haben sich zwei Macher getroffen – die Produktion der Recover-Toes-Sandale auf die Beine gestellt, vom ersten Entwurf bis zur Produktion. Die Recover Toes ist eine Freizeitsandale für Läufer, die die Füße biomechanisch entlastet. „Ich habe selten einen Unternehmer getroffen, der seiner Sache so konsequent nachgeht“, sagt Jens Schmidt über Sebastian Bär.

Die asymmetrische Leistenform, das Kennzeichen von Joe Nimble, sorgt dafür, dass der große Zeh ganz natürlich als Anker und Stabilisator agieren kann. Auf diese Erkenntnis stieß Sebastian Bär auch in einem Fachbuch von 1791 (rechts): „Darin wird fachlich das beschrieben, was wir heute umsetzen“

Wie macht der Mann das?

Woher nimmt er die Ideen für all die verschiedenen Projekte und die Energie, um die am Computer entworfenen Laufschuhdesigns Wirklichkeit werden zu lassen? Da herrscht offenbar eine eigene Dynamik, die aus einer schwäbischen Schuhmanufaktur entspringt und in eine hochmoderne Laufschuhproduktion mündet. Und die Marke steht gerade erst am Anfang, wie all die Produkte beweisen, die derzeit in der Pipeline sind. Das neueste Projekt von Sebastian Bär ist übrigens ein Laufschuh, den er speziell für den Badwater-Ultra entwickelt hat. Hergestellt wird er natürlich im Footwear Innovation Lab, made in Pirmasens, auf Wunsch für jeden Teilnehmer individuell angefertigt. Das ist kein riesiger Markt, es werden nur gut hundert Schuhe hergestellt. Aber Sebastian Bär geht es um mehr als um das große Geschäft. Hinter seiner Vision von Joe Nimble steckt ein größerer, gesundheitlicher, ganzheitlicher Ansatz. Der hat seinen Ursprung in einer schwäbischen Manufaktur in den 1980er-Jahren und das Zeug dazu, das Laufen im 21. Jahrhundert entscheidend mitzuprägen.

Innovation made in Germany: Die Produktion in Pirmasens

SO WIRD EIN SCHUH DRAUS

Schusterhandwerk 2.0: Im Footwear Innovation Lab in Pirmasens kann man zusehen, wie Schuhe mit neuesten digitalen Technologien entworfen, entwickelt und produziert werden

Die Stadt Pirmasens galt bis weit ins 20. Jahrhundert als Zentrum des deutschen Schuhmacherhandwerks. Noch Ende der 1960er-Jahre gab es dort über 300 Schuhhersteller, die in alle Welt exportierten. Wie in der gesamten Bekleidungsindustrie wurde auch in der Schuhherstellung die Produktion mehr und mehr ins Ausland verlegt, zunächst nach Italien, dann nach Fernost. Aber auch heute noch gehört das Schuhmacherhandwerk zur DNA der Stadt, immer noch gibt es kleinere Hersteller, die an der Entwicklung und/oder Produktion im eigenen Land festhalten – so zum Beispiel das 2018 gegründete Footwear Innovation Lab. Das Ziel von Firmengründer Jens Schmidt war es, die Schuhentwicklung auf ein höheres technisches Level zu bringen. Dafür hat er einen komplett digitalen Workflow aufgebaut, vom ersten Entwurf über die eigene Leistenproduktion und die Obermaterialverarbeitung bis zur Direktbesohlung. „So spart man sich Überraschungen“, erklärt der Geschäftsführer sein „Alles aus einer Hand“-Konzept.

Links: Jens Schmidt kümmert sich um jedes Detail in Planung, Entwicklung und Produktion. Rechts: für die Musterproduktion wird das Obermaterial von Hand genäht. Im Lager der Stepperei liegen mehr als 600 Materialien für unterschiedlichste Anfragen: Hier wurden schon Schuhe für Hollywoodfilme hergestellt, aber auch spezielle Wüsten Combat-Stiefel für das US-Militär.

„Was wir in der virtuellen Kollektionspräsentation zeigen – oder gemeinsam entwerfen –, können wir genau so realisieren. Wir können nicht nur die Designs, sondern auch die Produktion antizipieren.“ Vorteile: Erstens bleibt die gesamte Wertschöpfungskette an einem Ort, zweitens wird Zeit gespart. Normalerweise werden die Entwürfe in Designbüros entwickelt, an den Hersteller geschickt, der sie anschließend nach Asien weiterleitet, wo die ersten Muster produziert und dann nach Europa zurückgeschickt werden – im Footwear Innovation Lab in Pirmasens entsteht alles an einem Ort. Schmidt: „Wir sind um Wochen schneller.“ Und er hat große Pläne: „In zwei Jahren werden wir bis zu 90 Prozent biobasierte Kunststoffe einsetzen können – ohne Funktionseinbußen.

Links: das Obermaterial wird mit der Sohle verbunden. Die Direktbesohlungsmaschine arbeitet mit einem Zwei-KomponentenPolyurethan für die Sohleneinheit. Die helle Masse wird durch ein kleines Loch im Fersenbereich in die Form gespritzt und dehnt sich dann aus. Arbeitszeit pro Schuh: viereinhalb Minuten. Mitte: Digitaler Workflow: Die Schuhdesigns entstehen am Computer, auf dem Bildschirm die Recover-Toes-Sandale. Rechts: Diese Maschine, eine Fünf-Achsen-Simultanfräse, formt aus einem Block einen Leisten zur Schuhherstellung. Das dauert zwischen 20 und 120 Minuten und ist Teil des sogenannten Rapid Prototyping: Jede Schuhform kann damit innerhalb kürzester Zeit am Computer geplant und dann produziert werden

Text URS WEBER • Fotos JÜRGEN ALTMANN

Tags: Zehenfreiheit, Toefreedom
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